Zur Diskussion über das Wort „Rasse“ im Versöhnungsgebet von Coventry
Das Versöhnungsgebet von Coventry entstand 1958, geschrieben von Canon Joseph Poole. In ihren sieben Bitten nimmt die Litanei die traditionellen sieben Todsünden auf. Es sind Worte, um die Welt im Gebet vor Gott zu bringen. Zugleich bekennen wir mit ihnen, dass viele Probleme ihre Ursachen in unseren eigenen Einstellungen und Handlungen haben.
Das Versöhnungsgebet ist das Gebet, das die weltweite Nagelkreuzgemeinschaft geistig miteinander verbindet. In Coventry wird es täglich gebetet. Freitagmittags, wenn es um 12 Uhr in der Ruine der zerstörten Kathedrale gebetet wird, schließen sich in Deutschland und weltweit viele Nagelkreuzzentren an. Andere Nagelkreuzzentren greifen das Gebet z.B. in regelmäßigen Friedensandachten auf.
So prägend das Versöhnungsgebet für die Nagelkreuzgemeinschaft ist, umso schwerer fällt es vielen in Deutschland mittlerweile, die erste Zeile der Litanei mitzusprechen – und dies obwohl es eine Gebetsbitte für unsere Mitschuld an den vielfältigen Formen von Rassismus ist.
Vor gut zehn Jahren hat die deutsche Nagelkreuzgemeinschaft erstmals die Verwendung des Wortes „Rasse“ ausführlicher reflektiert. Der Austausch mit Coventry und der amerikanischen Nagelkreuzgemeinschaft ergab, dass das Wort im englischsprachigen Raum nicht problematisiert wurde. Damals wurde von US-Seite dezidiert darum gebeten, das Wort „race“ nicht aufzugeben. Offensichtlich impliziert das Wort im Englischen stärker, sich zu einer bestimmten Gruppe/Population zugehörig zu fühlen. Es hat nicht die unhaltbare, biologistische Konnotation, die dem deutschen Wort innewohnt. Nach diesen Rückmeldungen wurde die Frage zunächst nicht weiterverfolgt.
Vor fünf Jahren wurde die Diskussion erneut aufgegriffen. Es wurden diverse Änderungsvorschläge für die erste Zeile überlegt. Entscheidend waren jedoch dann die Rückmeldungen einiger Liturgikerinnen und Liturgiker. Sie rieten davon ab, Veränderungen an einem so vertrauten, einprägsamen und historischen Gebetstext vorzunehmen. Entsprechend hat sich die Mitgliederversammlung im Herbst 2015 dafür ausgesprochen, bei der eingeführten deutschen Übersetzung, die in Wortlaut und Rhythmus recht nahe am englischen Original ist, zu bleiben. Allerdings bestand ebenfalls Einigkeit darüber, dass Nagelkreuzzentren, die den Gebrauch des Wortes „Rasse“ nicht verantworten können, eine andere Übersetzung in Anlehnung an das Versöhnungsgebet nutzen können.
Die Diskussionen sind seitdem weitergegangen. Seit Anfang 2020 beschäftigt uns in Deutschland intensiv das Wort „Rasse“. Bei einem Treffen der Vorsitzenden der nationalen Nagelkreuzgemeinschaften mit Vertretern der Kathedrale wurde das Thema daher erneut angesprochen. Es zeichnet sich ab, dass für die englische Fassung im Moment kein Änderungsbedarf gesehen wird, die internationale Nagelkreuzgemeinschaft jedoch die deutsche Gemeinschaft darin unterstützt, für ihren Kontext eine gute Lösung zu finden.
Die Mitgliederversammlung der deutschen Nagelkreuzgemeinschaft tagt erst wieder im Herbst 2021. Bis dahin haben sich Vorsitzender, Vorstand und Leitungskreis die Aufgabe gesetzt, eine deutsche Übersetzung der ersten Gebetsbitte zu finden, die ohne den Begriff „Rasse“ auskommt, aber in ihrer vertrauten Struktur und dem knappen Rhythmus möglichst erhalten bleibt.
OKR Dr. Oliver Schuegraf, Vorsitzender,
und der Leitungskreis der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e.V.