Ringen um Versöhnung und Frieden in unserer Welt

Regional-Treffen der Nagelkreuzgemeinschaft in Bayern am 06.04.2019 in Leipheim und Günzburg

„Erhalt uns Gott bei deinem Wort und steu’re deiner Feinde Mord…“ Der Spruch aus dem Reformationszimmer im Heimat- und Bauernkriegsmuseum Blaue Ente in Leipheim ließ uns Teilnehmer des Regionaltreffens der Nagelkreuzgemeinschaft doch alle aufhorchen. Ist das christlich und wo bleibt da die Toleranz oder geschweige denn die Versöhnung, die unsere Gemeinschaft doch als das wichtigste Ziel sieht? Natürlich ist dieser Ausspruch ein Fragment aus längst vergangener Zeit, aber auch ein Grund genug, sich mit dem heutigen Verständnis von Versöhnung und Toleranz auseinanderzusetzen. Um diese Themen ging es dann auch im gegenseitigen Austausch der aus Bayern und Gästen aus Österreich und Pakistan stammenden Teilnehmer. Bereits die beiden Bürgermeister aus Leipheim und Günzburg gingen in ihren jeweiligen Grußbotschaften auf die Wichtigkeit eines solchen Treffens ein: „Nicht Bitterkeit, Hass oder der Wunsch nach Vergeltung sollten die Zukunft prägen, sondern die Hoffnung auf Versöhnung, Vergebung und Frieden.“

Wir erspürten im geschichtsträchtigen Museum zunächst die Not, die aufständische Bauern 1525 in den Krieg trieb, wir registrierten beeindruckt deren Forderung nach Mitbestimmungs- und Freiheitsrechten und waren bestürzt über das blutige Ende der Bauernkämpfe. Pfarrer Oßwald, der Gastgeber unserer Veranstaltung im ev. -luth. Gemeindehaus, nahm nachmittags in seiner Begrüßung den Faden wieder auf und berichtete vom Kampfgeschwader 55, dass 1938/39 auf dem Fliegerhorst Leipheim stationiert war und im Jahre 1940 an der Bombardierung von Coventry (Mittelengland) beteiligt war. Versöhnung tut Not und geschieht, wobei er als aktuelles Beispiel erwähnt, dass sie zumindest in Form gelebter Ökumene sichtbar wird, da während der Renovierung seiner Kirche die Gemeinde in der katholischen Nachbarkirche einen Ort für ihre Gottesdienste finden kann – „ein einfacher Anruf beim Kollegen reichte aus“!.

In mehreren Workshops setzen sich dann alle TeilnehmerInnen noch konkreter mit dem Anspruch und der Verwirklichung von Versöhnungsarbeit auseinander. Ist Versöhnung „cool“, wie kann sie im Miteinander mit anderen Religionen und Kulturen gelingen – oder sollten wir auch einmal „laut sein“, wenn es zum Beispiel um den Klimawandel geht? Im Blickfeld steht dabei auch der Wunsch, insbesondere die Jugend für dieses wichtige Thema zu gewinnen. Nach all den engagierten Diskussionen blieb die Feststellung im Raum, dass Toleranz eine lebenslange Aufgabe darstellt, die Versöhnung bewirken kann. Toleranz um jeden Preis wäre aber falsch verstanden, da sie da endet, wenn Menschenrechte bedroht sind. Es geht um eine ehrliche Auseinandersetzung unter Achtung des Nächsten in seiner Würde.

Dazu hat die Nagelkreuzgemeinschaft etwas zu sagen und deshalb soll zukünftig noch bewusster dieser Auftrag durch Jahresthemen erarbeitet werden, damit die drei prägnanten Aussagen der Nagelkreuzgemeinschaft – die Wunden der Geschichte heilen, mit Verschiedenheit leben lernen und am Frieden arbeiten – Wirklichkeit werden können.

Den Ausklang des Tages bildete gemeinsames Beten und Singen in der ehemaligen Hofkirche im nahen Günzburg. Dort ist ein Nagelkreuzzentrum, das vom „Verein der Freunde der Hofkirche“ betreut wird. „Im Gebet schließen wir uns mit allen, die sich für Frieden und Versöhnung weltweit einsetzen, zusammen und fühlen uns verbunden“, so begann die Einleitung in der Hofkirche. Im Zentrum steht dabei die Versöhnungslitanei von Coventry, die auch regelmäßig jeden Freitag in der Hofkirche und in den 70 Nagelkreuzzentren in Deutschland gebetet wird.

Walter Elsner

Hintergrundinformation:
Die Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e.V. ist Teil der internationalen Nagelkreuzgemeinschaft. Am 14. November 1940 wurde die englische Stadt Coventry mit ihrer mittelalterlichen Kathedrale von deutschen Bomben zerstört. Statt nach Vergeltung zu rufen, hatte der damalige Propst, Richard Howard der Kathedrale eine andere Vision: dem Feind sollte die Hand zur Versöhnung gereicht werden. Symbol dieses Versöhnungsdienstes wurde das Nagelkreuz, zusammengefügt aus drei Zimmermannsnägeln aus den Dachbalken der zerstörten Kirche. Das Nagelkreuz von Coventry steht heute als Zeichen der Versöhnung und des Friedens an vielen Orten der Welt. Die Nagelkreuzgemeinschaft ist ein weltweites Netzwerk von christlichen Kirchen und Organisationen, die auf der Grundlage des Glaubens an den dreieinigen Gott und inspiriert durch die Geschichte der Kathedrale von Coventry und ihres Nagelkreuzes eine fortdauernde Verbindung mit der Kathedrale pflegen und die sich verpflichtet wissen, für Frieden und Versöhnung zu beten und zu arbeiten. Im Mittelpunkt des Gebetes steht die Versöhnungslitanei von Coventry, die in sieben Anrufungen Gottes sein Erbarmen zu den menschlichen Unzulänglichkeiten wie etwa den Hass, der die Menschen trennt oder die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet, durch das „Vater vergib“ erbittet. Dies war auch genau die Bitte, die der Propst der Kathedrale von Coventry an die Apsis-Wand seiner zerstörten Kathedrale schreiben ließ: father forgive – Vater vergib!